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  • Epiktet (50–138)

Epiktet (50–138)

 

Von den Dingen stehen die einen in unserer Gewalt, die anderen nicht. In unserer Gewalt stehen: unsere Meinung, unser Handeln, unser Begehren und Meiden – kurz: all unser Tun, das von uns ausgeht. Nicht in unserer Gewalt stehen: unser Leib, unser Besitz, Ansehen, äussere Stellung – mit einem Wort: alles, was nicht unser Tun ist.

 

Dein Begehren gibt vorläufig ganz auf. Denn begehrst du etwas, was nicht in unserer Macht steht, dann muss du unweigerlich unglücklich werden.

 

Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinungen über die Dinge.

 

Wenn wir also auf Schwierigkeiten stossen, in Unruhe und Kümmernis geraten, dann wollen wir die Schuld niemals auf einen andern schieben, sondern nur auf uns selbst, d.h. auf unsere Meinung von den Dingen. Es verrät einen Ungebildeten, wenn man andern Vorwürfe darüber macht, dass es einem selber schlecht geht; als einen Anfänger in der philosophischen Bildung erweist sich der, der sich selber Vorwürfe macht. Der wahrhaft Gebildete schiebt die Schuld weder auf andere noch auf sich selbst.

 

Gedanken wie die folgenden, dürfen dich nicht quälen: ich werde unberühmt mein Leben verbringen und nirgends etwas gelten.

 

Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest, sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht, und es wird dir gut gehen.

 

Wenn du jemanden siehst, der hochgeehrt, sehr mächtig oder sonst irgendwie gross dasteht, so lass dich nicht etwa von dem Schein hinreissen, ihn glücklich zu preisen. Denn wenn das Wesen des Guten in dem beruht, was in unserer Macht liegt, dann sind hier weder Neid noch Eifersucht angebracht; du selbst willst doch weder Feldherr noch Ratsherr oder Konsul sein, sondern frei.

 

Dazu aber führt nur ein Weg: Verachtung alles dessen, was nicht in unserer Macht steht.

 

Nur eins kannst du sein, ein guter oder ein schlechter Mensch; entweder musst du deine Seele ausbilden oder deine äussere Lage, entweder deine Kunst auf das Innere verwenden oder auf das Äussere: entweder ein Philosoph sein oder ein Kind der Welt.

 

Wenn du eine Rolle übernimmst, der du nicht gewachsen bist, dann wirst du damit wenig Ehre einlegen und hast ausserdem auch die, welche du hättest ausfüllen können, versäumt.

 

Folgende Sätze sind unvereinbar: »Ich bin reicher als du – also bin ich mehr wert als du«, oder »ich kann besser reden als du – also bin ich mehr wert als du«. Wohl aber passen die beiden Sätze zueinander: »Ich bin reicher als du – also ist mein Besitz mehr wert als der deinige«, oder ich kann besser reden als du – also ist meine Redeweise mehr wert als die deinige«. Denn dein Wesen besteht weder im Besitz noch im Redenkönnen. Wenn du siehst, wie ein anderer reich ist, überlege, was du statt dessen besitzest. Denn wenn du nichts statt dessen besitzest, bist du ein elender Wicht. Wenn du aber die Fähigkeit hast, Reichtum nicht zu bedürfen, dann werde dir klar, dass du mehr besitzest und obendrein etwas, was viel mehr wert ist.

 

Jeder Zustand und jede Fähigkeit einer Person werden durch die ihnen entsprechende Betätigung erhalten und gefördert: die Fähigkeit zu gehen durch Gehen, die zu laufen durch Laufen. So auch in seelischen Dingen! Wenn du in Zorn gerätst, so wisse, dass dir nicht allein dies Übel widerfahren ist, sondern dass du auch die Neigung hierzu gefördert und gleichsam dem Feuer Nahrung zugeführt hast.

 

Der erste und notwendigste Teil in der Philosophie ist die Anwendung ihrer Lehren im Leben, z.B.: nicht zu lügen. Der zweite Teil handelt von den Beweisen, z.B. weshalb man nicht lügen soll. Der dritte dient zur Begründung und weiteren Ausgestaltung ebendieser Beweise: z.B. aus welchem Grunde ist dies ein Beweis? was ist überhaupt ein Beweis? was eine Folge, was ein Widerspruch, was ist wahr und was falsch. Dieser dritte Teil ist notwendig wegen des zweiten und der zweite wegen des ersten; der notwendigste, mit dem man sich immer beschäftigen sollte, ist der erste. Wir aber machen es umgekehrt: wir beschäftigen uns mit dem dritten Teile und verwenden darauf all unseren Eifer. Um den ersten kümmern wir uns überhaupt nicht; deshalb lügen wir; wie man aber beweist, dass man nicht lügen darf – das ist uns geläufig.

 


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